Gestern wurde es nun endlich vorgestellt, das Gutachten von Lademann und Partner im Auftrag der BI zu den KAW-Hallen. Einige Verzögerungen hatte es gegeben, das Gutachten kam wegen notwendig vorzunehmender Präzisierungen nicht mehr rechtzeitig zum 2. AG-Treffen am vergangenen Donnerstag in Levenhagen, sondern eben erst gestern - was seiner inhaltlichen Brisanz nichts nimmt.
Das Gutachten im Auftrag der BI kommt zu einem völlig anderen Ergebnis als das CIMA-Gutachten, das im Auftrag des Investors geschrieben wurde (wen wundert's...). Nicht nur das Ergebgnis ist ein anderes (ein Einkaufszentrum dieser Größe würde die Innenstadt nicht befruchten, sondern im Gegenteil: veröden!), auch die Berechnungen des CIMA-Gutachtens selbst wurden einer Prüfung unterzogen und als unplausibel erwiesen.
Nun liegen ein Gutachten des Investors und eines der BI vor - nun kann niemand mehr behaupten, dass es ja nur eine Objektivität gebe. Den Mitgliedern der Bürgerschaft ist es nun trotz (oder vielmehr: wegen) der Gutachteritis aufgegeben, sich ihren eigenen Kopf zu machen, ob ein Einkaufszentrum an dieser Stelle für Greifswald gut oder schlecht ist. Denn Grundfrage ist und bleibt: Was tut Greifswald gut - nicht, wie ermöglichen wir einem Investor seine Investition. Dies können wir erst überlegen, wenn wir entschieden haben, was Greifswald gut tut. Erst dann!
Wir sollten nicht vergessen: Das geplante Einkaufszentrum in den KAW-Hallen ging davon aus, dass die Einwohner_innen der Fleischervorstadt den berechtigten Wunsch nach einem Nahversorger hatten, um ihr Kilo Zucker und ihren Liter Milch nahe dem Wohnort besorgen zu können. Unter diesem Deckmäntelchen hat der Investor ein Projekt ganz am Rande der Fleischervorstadt entwickelt (also weit entfernt von den meisten Bewohner_innen der Fleischervorstadt), das jeden Rahmen eines Nahversorgers sprengt - so, als hätte man den kleinen Finger geboten und den Arm bis zur Achsel abgebissen bekommen.
Das Gutachten kann hier heruntergeladen werden. Wir hoffen, dass es in allen Fraktionen und von den Mitgliedern der Bürgerschaft insgesamt gelesen und diskutiert wird.
Hier einige Auszüge aus dem Gutachten:
Der Standort ist durch einen Grünzug und die Barrierewirkung
der Bahnhofstraße eindeutig vom Innenstadtkern losgelöst und als eigenständiger
Standort zu bewerten. Eine attraktive Wegeverbindung zwischen dem Vorhabenareal
und der Innenstadt ist nicht gegeben. (7)
Am Vorhabenobjekt besteht eine unübersichtliche,
limitierende Verkehrsführung. Durch den Bahndamm mit der Bahnunterführung und
dem Kreisverkehr ist eine „Nadelöhrfunktion“ gegeben. Würde das Objekt in der
bislang vorgesehenen Form realisiert werden, dann würde die Verkehrsbelastung
am Standort auf Grund der hohen Anzahl der Mieter (knapp zehn Hauptmieter
zuzüglich Konzessionäre) dramatisch zunehmen. Diese Bedenken bestehen eher
nicht, sollte sich das Objekt auf eine reine lokale oder regionale
Nahversorgungsfunktion (Positionierung als Nahversorgungszentrum) konzentrieren
bzw. beschränken. (8)
Der Argumentation, dass von dem geplanten Fachmarktzentrum
auf dem KAWGelände positive Impulse auf die Innenstadt bzw. synergetische Wirkung
insgesamt generiert werden, kann nicht gefolgt werden. Zwar beträgt die Distanz
vom KAW-Gelände zur Hauptgeschäftslage ca. 500 Meter - aufgrund der
gewerblichen Vornutzung besteht allerdings kein funktionaler Zusammenhang
zwischen den Einzelhandelslagen in der Innenstadt und dem Vorhabenstandort.
Zudem besteht keine direkte bzw. attraktive, fußläufige
Anbindung. Insbesondere die stark befahrenen Bahnhofstraße, die historischen
Wallanlagen und topographischen Versprünge stellen eine tatsächliche räumliche
und optische Barriere dar.
Die aktuellen Maßnahmen zur Steigerung der Aufenthalts- und
Wegequalität der Wallanlagen zielen zudem eher auf eine lineare Stärkung der
Innenstadt zwischen Bahnhofsvorplatz im Westen und Schießwall im Osten - und
beziehen somit vor allem die Lange Straße ein. Das heißt, eine Stärkung der
Innenstadt könnte wenn dann nur durch neue Handelspole an der Ost- oder
Westseite der Langen Straße/Schuhhagen - innerhalb der Wallmauer - erfolgen.
Eine Erweiterung nach Süden in Richtung des Vorhabenstandorts sowie eine
Stärkung und damit Erhöhung des gesamtinnerstädtischen Angebots geht damit
nicht einher.
Vielmehr stellt der Vorhabenstandort einen separaten,
autoorientierten Konkurrenzstandort
zur nahe gelegenen Innenstadt dar.
In jedem Falle ist an diesem Standort von keinen, die
Umsatzrückgänge ausgleichenden positiven Kopplungseffekten für die übrige
Innenstadt auszugehen. (17f)
Das geplante Vorhaben wird die fragile Innenstadt weiter
schwächen und zudem die bisherigen Bemühungen zur Belebung der Innenstadt
konterkarieren. (19)
Hier zeigt sich ein eklatantes Missverhältnis und ein
gravierende Unterbewertung der Umverteilung gegenüber der Greifswalder
Innenstadt: Von den 23,6 Mio. €, die sich durch Umverteilungen aus dem
Greifswalder Stadtgebiet ergeben, werden nur 2,1 Mio. € des Gesamtvorhabens zu
Lasten der vorhabenrelevanten Betriebe in der Greifswalder Innenstadt
umverteilt (6,5 %). Zu Lasten von sonstigen Lagen - insbesondere fällt
hierunter der peripher gelegene Elisenpark - werden hingegen 18 Mio. € (bzw.
55,6 % des gesamten Umsatzes) umverteilt.
Das bedeutet, das Verhältnis Umverteilungen zu Lasten der
sonstigen Lagen und zu Lasten der Innenstadt beträgt etwa 10 zu 1. Die aktuell
an beiden Standorten über alle Sortimente aktuell erwirtschafteten Umsätze
liegen gleichwohl mit 64,5 Mio. € (ZV Innenstadt) und 166,1 Mio. € (sonstige
Lagen) nach der Tabelle auf Seite 38 deutlich dichter zusammen und haben ein
Verhältnis von 1 zu etwa 2,5 zueinander. (21f)
Gleichwohl besteht aus der Sicht von Dr. Lademann &
Partner die Möglichkeit, den Standort (wie ursprünglich geplant) als
Nahversorgungszentrum mit bis zu 4.000 m² Gesamtverkaufsfläche zu etablieren.
Denn insbesondere das Sortiment Lebensmittel/Reformwaren ist in der Innenstadt
von Greifswald nur in relativ geringem Umfang vertreten. Einziger größerer
Betrieb, der gleichwohl keine marktgerechte Größe aufweist, ist der Anbieter
nah & frisch. Innenstadtnah ist damit eine nur unterdurchschnittliche
Lebensmittelausstattung vorhanden.
Wir empfehlen daher, den Standort KAW-Gelände als separaten
zentralen Versorgungsbereich auszuweisen (dann in der Kategorie als
Nahversorgungszentrum) und mit ausschließlich nahversorgungsrelevanten
Einzelhandelsbetrieben auszustatten. (25)
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