
Gründe, die für ein EKZ sprechen, und ihre Widerlegung:
1) Unterversorgung im
Lebensmittelbereich wird abgedeckt
Ja, aber außerdem
werden noch einige andere Läden eingerichtet, die mit der „Unterversorgung“ der
Fleischervorstadt mit Lebensmittlern nichts zu tun haben. In der Begründung zum B-Plan heißt es: „Im
städtebaulichen Rahmenplan der Stadt Greifswald wurde für die Fleischervorstadt
zunächst in unmittelbarer Nachbarschaft zum jetzigen Vorhaben ein
Einzelhandelsstandort geplant, weil in den Stadtteilen Fleischervorstand und
Innenstadt eine unzureichende Bedarfsdeckung im periodischen Bereich
festzustellen ist. Für die ca. 10.000 Einwohner beider Stadtteile steht derzeit
nur ein kleiner Supermarkt in der Dompassage zur Verfügung.“ In der Teilfortschreibung der Abgrenzung derZentralen Versorgungsbereiche (ZVB) heißt es: „Nach nunmehr 8 Jahren ist
festzustellen, dass die Versorgung mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen
Bedarfs in der Innenstadt weiterhin quantitativ mangelhaft, in der
Fleischervorstadt weiterhin nicht gegeben ist.“
Deswegen (?!) bekommen wir jetzt nicht nur einen
Lebensmittler, sondern:
(Aus dem CIMA-Gutachten)
Ist die Fleischervorstadt auch mit diesen Läden
unterversorgt? Wird hier nicht unter dem
Deckmäntelchen „Versorgung der Fleischervorstadt mit einem Lebensmittler“ ein
ganz anderes Interesse verfolgt?
2) Kostenlose
Parkplätze
Ja, aber wer
Parkplätze anbietet, lockt Autofahrende an. Die Verkehrssituation auf der
Bahnhofstraße wird nicht besser, wenn mehr Autos fahren – siehe das
Verkehrsgutachten. Gerade arbeitet die UHGW an einem Aktionsplan gegen Lärm,
vor allem Verkehrslärm – da ist ein solches Angebot kontraproduktiv. „Wer nicht
Auto fährt, sondern zu Fuß geht oder Bus und Rad benutzt, erzeugt weniger
Krach“, heißt es in einem OZ-Artikel
vom 11.06.14.
3) Erhaltung der
denkmalgeschützten KAW-Hallen
Ja, aber die sind
auch mit einer „kleinen Lösung“,
einem Lebensmittelmarkt EDEKA/ALDI zu erhalten, dazu braucht es kein
Einkaufszentrum.
4) Es entstehen neue
Arbeitsplätze
Wohl kaum, denn
erstens ist zu fragen, wieviele wirklich neu entstehen sollen, da einer der
Lebensmittler nur umzieht und nicht neu eröffnet. Bei den anderen weiß man
nicht, wer kommt, und wieviele neue Arbeitsplätze es tatsächlich sind. An
dieser Stelle fehlen Zahlen, um das Argument werten zu können! Was ist z. B. mit den Arbeitsplätzen, die
in der Innenstadt wegfallen (z. B. Nah & Frisch, oder, etwas weiter, REWE
an der Grimmer Straße), wenn die
geplanten Umsatzeinbußen Wirklichkeit werden? Diese wegfallenden
Arbeitsplätze müssen natürlich gegen die „neuen“ (wenn es sie gibt)
gegengerechnet werden; wahrscheinlich gibt es nur eine „Umverlagerung“ von
Arbeitsplätzen.
5) Attraktive
Ansiedlungen von namhaften Firmen
Nein. Bisher sind
– neben dem Lebensmittler – nicht unbedingt namhafte Firmen genannt, die sich
ansiedeln wollen…
6) Rentner und andere
Anwohner können fußläufig ihre Einkäufe erledigen
Ja, aber auch nicht
besser als vorher – nur für einen kleinen Teil der Bewohnenden ist das geplante
Einkaufszentrum wirklich näher als die jetzt schon bestehenden
Einkaufsmöglichkeiten.
„Der jetzige Vorhabenstandort hat als zentraler
Versorgungsbereich den Vorteil eines direkten Anschlusses an die Bahnhofstraße.
Daher ist er sowohl unter verkehrsplanerischen Gesichtspunkten als auch aus
potenzieller Betreiber- und Kundensicht besser geeignet, als der in der
Fleischervorstadt seinerzeit vorgesehene Standort“, heißt es in der Begründung. Und dort weiter: „Hinzu
kommt die Freihaltung und verbindliche Festlegung eines Zugangsbereiches zum im
Osten des Plangebietes zukünftig anschließenden öffentlichen Fuß- und Radweges.
Hier ist die Anlegung einer entsprechenden Fuß- und Radwegverbindung zur
Pfarrer-Wachsmann-Straße kurzfristig vorgesehen, über die das Einkaufszentrum
aus der Fleischervorstadt dann auf kurzem Wege fußläufig und per Fahrrad
erreichbar ist. Diese Festsetzungen unterstützen die Überlegungen, ein
Nahversorgungszentrum auch für die Fleischervorstadt auf diesem Gelände zu
errichten“. – „Mit der Planung soll eine Fuß-/
Radwegeanbindung von der Pfarrer-Wachsmann-Straße und aus dem Plangebiet
entlang der Gleisanlagen bis zur Scharnhorststraße sichergestellt werden“, heißt
es dann noch im Aufstellungsbeschluss.
Die Lage der KAW-Hallen ist ein Zwitter, der keine dieser Anforderungen
erfüllt: Absolute Randlage in der
Fleischervorstadt, definitive Nicht-Innenstadt-Lage. In Abwägung mit den
angerichteten Schäden (z. B. Schließung des Lebensmittlers in der Innenstadt!)
sind die „fußläufigen“ Vorteile minimal und bei der Bewertung zu
vernachlässigen. Jürgen Sallier schreibt dazu in seinem Brief zu den von uns verfassten Wahlprüfsteinen: „Das Gelände
gehört zur Innenstadt. Es befindet sich in einer zentralen Lage in Greifswald,
nur wenige Gehminuten von der Langen Straße und anderen Einkaufsstraßen
entfernt. Ein weiterer Vorteil ist die direkte Nähe zum Bahnhof und der
Universität.“ Diesen Bezug zur Innenstadt und zur Universität sehen wir nicht,
da es weder Sichtachsen noch aufbereitete Wege gibt. Seinerzeit ist die
Tiefgarage am Pommerschen Landesmuseum mit dem Argument gebaut worden, dass
genau der Abstand zwischen KAW-Hallen und Innenstadt dem einkaufenden Menschen
nicht zuzumuten ist. Jetzt geht es genau anders herum…
7) Es handelt sich um
eine attraktive städtebauliche Lösung für ein zu entwickelndes Gebiet
Ja, aber dies
träfe alles auch auf die „kleine Lösung“
zu. Dazu brauchen wir kein Einkaufszentrum mit riesigem Flächenverbrauch,
Verkehrsaufkommen, Lärm- und Schadstoffbelastung. Das hieße, mit Kanonen auf
Spatzen zu schießen! Dem widerspricht auch das Ministerium für Energie,
Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern in seiner
landesplanerischen Stellungnahme: „Der Planung (Bebauungsplan Nr. 98 - KWA
Gelände-, Änderung FNP) stehen zwar keine Ziele der Raumordnung und
Landesplanung entgegen. Eine Reduzierung
der Verkaufsfläche des EKZ ist im Sinne der weiteren Entwicklung der Innenstadt
jedoch zu empfehlen“, so steht es in der Abwägung. Dort finden wir auch die Stellungnahme des
Einzelhandelsverbandes Nord: „Die mit dem Bebauungsplan Nr. 98
„KAW-Gelände" vorgesehene Ausweisung eines Einzelhandelszentrums in der
beabsichtigten Größenordnung und Zusammensetzung ist abzulehnen, da erhebliche negative Auswirkungen auf die
städtebauliche Entwicklung der Hansestadt Greifswald nicht auszuschließen sind.“
Die Überlegungen aus der Begründung und dem
Aufstellungsbeschluss sprechen auch eher für die „kleine Lösung“ als für ein Einkaufszentrum: „Mit der Ausweisung
eines Einkaufszentrums auf den ehemals von der Bahn genutzten Flächen südlich
der Bahnhofstraße soll eine attraktive städtebauliche Verbindung zwischen dem
Bahnhofsgelände westlich des Geltungsbereiches und der Innenstadt von
Greifswald im Nordosten erfolgen. Durch die Einrichtung moderner
Einkaufseinrichtungen auf diesem Gelände unter Berücksichtigung des alten
denkmalgeschützten Gebäudes wird eine Steigerung der Attraktivität des gesamten
Innenstadtbereiches von Greifswald erzielt, da eine insbesondere für Fußgänger
und Radfahrer interessante Verbindung vom Bahnhof zur Innenstadt geschaffen
wird.“ – „Hinzu kommt eine Stärkung der Wohnsituation des Innenstadtbereichs
durch die Schaffung neuer Wohnbauflächen, die die entsprechend genutzten Areale
entlang der Burgstraße, Baustraße und Wiesenstraße aufnehmen und komplettieren.
Geplant ist die Errichtung von Wohnquartieren in Anlehnung an die vorhandene
Bebauung in den angrenzenden Straßen. Die Bebauung soll insbesondere mit 2- bis
3- geschossigen Wohnbauten sowie Stadthäusern bzw. Stadtvillen entsprechend den
konkreten Lagebedingungen erfolgen. Dadurch wird ein Beitrag zur Stärkung der
Wohnsituation der Innenstadt geleistet.“
Ebenfalls für die
„kleine Lösung“ zutreffend sind die Überlegungen aus der Begründung: „Durch die Planungen kommt
es zu einer Wieder-Nutzung eines bestehenden Gewerbestandorts. Auch wenn dieses
mit erheblichen baulichen Maßnahmen verbunden ist, die Störungen für den
Menschen, aber auch für Natur und Landschaft bedeuten, ist dieses grundsätzlich
positiv zu bewerten und folgt den Forderungen zum sparsamen Umgang mit Grund
und Boden“ sowie die Erhaltung der denkmalgeschützten Hallen „des ehemaligen
Kraftwagenausbesserungswerkes“.
8) Die Bürger_innen waren
an der Planung und Beschlussfassung ausreichend beteiligt
Nein, denn wie
man sieht, regt sich erst jetzt der Widerstand der Betroffenen. Anwohnende, Gewerbetreibende,
Studierende melden sich erst jetzt zu Wort; offenbar ist das Verfahren 2012 so unterschwellig
abgelaufen, dass niemand etwas mitbekommen hat. Auch die Gremien der
Bürgerschaft waren sich des Ausmaßes und der Folgen dessen, was da geplant
wird, offenbar nicht bewusst – die Sache wurde schnell durchgewunken, immerhin
versprach es ja, toll zu werden. Wird es auch – aber in einem von den
Mitgliedern der Bürgerschaft so nicht verstandenen Sinn des Wortes! In seinem Brief zu den von uns verfassten Wahlprüfsteinen
heißt es seitens des zukünftigen Betreibers zwar richtig, aber zu kurz: „Bürgerschaft,
Verbände und Öffentlichkeit wurden in den vergangenen zwei Jahren in den
Prozess einbezogen. […] Das Bauvorhaben wurde der Bürgerschaft (Plenum und
Bauausschuss) von Beginn an mehrere Male vorgestellt. 2012 beschloss die
derzeit amtierende Bürgerschaft einstimmig bei einer Enthaltung den Rahmenplan
für das Bauvorhaben. […]Plenum und Bauausschuss der Bürgerschaft wurden seit
dem Beginn des Bauvorhabens 2012 regelmäßig informiert; Altstadtverein,
Wirtschaftsverbände und andere Interessenvereinigungen haben ihre Stellungnahme
dazu abgegeben. Der Bebauungsplan steht allen Greifswalder Bürgern öffentlich
zugänglich zur Verfügung.“ Wir meinen:
Das hat ganz offensichtlich nicht gereicht!
9) Möglichkeiten für
das Car-Sharing
Ja, aber damit
springt der Investor aufs Trittbrett eines bereits fahrenden Zuges auf, um sein
Projekt zu retten!
Er schreibt in seinem Briefzu den von uns verfassten Wahlprüfsteinen: „Ladestationen für E-Bikes und
Elektro-Autos sind vorhanden. Der Standort bietet außerdem gute Möglichkeiten
für die Einrichtung eines Car-Sharings.“
Stellplätze für Car-Sharing-Fahrzeuge und Ladestationen
können auch überall anders, z. B. am Bahnhof, eingerichtet werden – also kein Argument für ein Einkaufszentrum!
Gründe, die gegen ein EKZ sprechen
1) Bestehende
Einzelhandelsstandorte und Nahversorgungsbereiche wie z. B. Rewe/ Grimmer
Straße, Mövencenter, OEZ, Dompassage sind gefährdet und werden ggf. schließen,
was eine weitere Vernichtung von Arbeitsplätzen in bestehenden
Einzelhandelseinrichtungen und Nahversorgungszentren nach sich zieht.
Die vermuteten Umsatzverluste für den innerstädtischen
Einzelhandel liegen bei 2,1 Millionen Euro:
(Aus dem CIMA-Gutachten)
Stellen Sie sich vor, Sie hätten durch das Hereindrängen
einer neuen Kolleg_in bei gleichbleibendem Arbeitsaufwand und gleichbleibendem
Gesamtbudget plötzlich weniger Lohn in der Tüte! Die Vernichtung von Arbeitsplätzen
in der Innenstadt muss mit den „neuen“ Arbeitsplätzen gegengerechnet werden,
erst dann kommt man zu einem Ergebnis! Welche
Läden in der Innenstadt können einen solchen Umsatzverlust vertragen,
wieviele bleiben übrig, wie öde wird die Innenstadt durch das Einkaufszentrum? Auch die übrigen Zentren müssen
Umsatzeinbußen hinnehmen, wie die obige Tabelle zeigt. Wie kommt z. B. das
Schönwaldecenter mit fast 1 Mio. Euro Umsatzverlust zurecht?
2) Folgekosten von
leerstehenden Immobilien (z.B. Abriss Dompassage) landen ggf. bei der Stadt
Hat sich schon jemand Gedanken darüber gemacht, was mit den
Hinterlassenschaften des umgezogenen Lebensmittlers, mit dem Leerstand in der
Innenstadt (Dompassage, Mühlentorcenter, Passage in der Langen Reihe)
geschieht? Vermutlich wird die Stadt auf den Folgekosten wie zunächst Subventionierung, dann Abriss sitzen bleiben. Auch diese
Kosten müssen gegen die „Vorteile“ eines Einkaufszentrums in den KAW-Hallen
gerechnet werden, will man zu einem ehrlichen
Ergebnis kommen!
3) „Nah & Frisch“
in der Dompassage schließt bei Eröffnung eines EKZ definitiv (Aussage des
Inhabers „Nah & Frisch“ uns gegenüber)
Dadurch entsteht eine Unterversorgung der Innenstadt mit
Lebensmittleren, die vielleicht durch ein weiteres EKZ aufgefangen wird,
wodurch ein weiterer Lebensmittler schließt, was durch ein drittes EKZ
aufgefangen wird… Der Wahnsinn bekommt
Methode, und Lebensmittler schließen, statt dass sie mehr werden! Haben wir
wirklich unser Ziel erreicht, wenn wir die Eröffnung eines Lebensmittlers erkaufen
durch die Schließung eines anderen? Der Betreiber des „Nah & frisch“, Hr.
Klar, wörtlich dazu: „Alleine die Planung eines Aldi + Edeka Marktes an diesem
Standort (KAW Hallen) veranlasst mich, notwendige Investitionen in den
bestehenden Standort Nah&Frisch in der Dompassage zurückzustellen. Sollte
dieser Plan realisiert werden, ist eine Weiterführung meines Geschäftes in der
Dompassage betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll".
Dasselbe gilt
übrigens für REWE in der Grimmer Straße nach Wegzug von ALDI und der
Eröffnung des Einkaufszentrums! Ein Mehr an Arbeitsplätzen durch das
Einkaufszentrum sehen wir daher nicht.
4) Unkalkulierbare
Verkehrsentwicklung, mehr (Liefer-)Verkehr in der Bahnhofsstraße und
Innenstadt, Rückstau bis in die Innenstadt
Die Schalltechnische Untersuchung besagt: „Die Verkehrserzeugung durch das geplante
Einzelhandelszentrum wurde im Rahmen einer Verkehrsuntersuchung [20]
prognostiziert. Dementsprechend ist für die durch das geplante
Einzelhandelszentrum neu induzierten Zusatzverkehre im Mittel mit etwa 4.000 Fahrten je Tag, d.h. ca. 2.000 Pkw
und Lkw (davon etwa 1.802 Kunden-Pkw, 78 Mitarbeiter-Pkw und 32
anliefernden Lkw) zu rechnen.“ Die Belieferung kann aus Gründen des
Lärmschutzes nur tagsüber erfolgen, ist demselben Gutachten zu entnehmen. Daher
wird sich der Liefer- und LKW-Verkehr auf der Bahnhofstraße tagsüber stark
vermehren. Alles dies geht zu Lasten der Menschen, die die Bahnhofstraße
benutzen oder an ihr wohnen. Es handelt
sich um eine Steigerung um 25 % des jetzigen, schon sehr starken
Verkehrsaufkommens, wie das genannte Gutachten besagt: „Diese weist für die
Bahnhofstraße auf Höhe der künftigen Zufahrt zum Einkaufszentrum in Richtung
Westen einen DTV von 7.987 Kfz/24h aus. Der Lkw-Anteil beträgt 8,5 % tags und
9,4 % nachts. In Richtung Osten weist die Studie einen DTV von 8.536 Kfz/24h
und einen Lkw-Anteil von 9,5 % tags und 11,5 % nachts aus. […] Das zusätzliche
Verkehrsaufkommen aus dem Ziel- und Quellverkehr beträgt demnach im Mittel
3.888 Kfz/d. Die max. zusätzliche Verkehrsbelastung der Spitzenstunde wird für
den Quellverkehr mit 245 Kfz/h bzw. für den Zielverkehr mit 254 Kfz/h jeweils
für die Zeit von 18.00 bis 19.00 Uhr ermittelt. Die zusätzliche
Verkehrsbelastung in der Zeit der max. Verkehrsbelastung in der Bahnhofstraße
von ca. 16.00 bis 18.00 Uhr beträgt 191 Kfz/h bzw. 216 Kfz/h“, besagt die Verkehrsuntersuchung.
5) Schadstoff- und
Lärmbelastung durch mehr Verkehr
Punkt (3) gegen das Einkaufszentrum bedeutet auch eine
Höherbelastung der Anwohnenden durch Lärm und Abgase. Ob das durch die
angeblich „kurzen Wege“ ausgeglichen wird? „Vor allem […] an der Bahnhofstraße
[…] sind wahrnehmbare Pegelerhöhungen
zu erwarten. Die Erhöhungen sind hauptsächlich durch die im Prognose-Planfall
geplante Lichtsignalanlage an der geplanten Zufahrt zum Einkaufszentrum. […] Im
Tageszeitraum wird der Immissionsgrenzwert für Gewerbegebiete von 69 dB(A) tags
am nördlichen und südwestlichen Rand des Plangeltungsbereichs überschritten. Der Orientierungswert
für Gewerbegebiete von 65 dB(A) tags wird in diesen Bereichen ebenfalls
weitestgehend überschritten. […] Im
Nachtzeitraum wird der Orientierungswert für Gewerbegebiete von 50 dB(A) nachts
im gesamten Plangebiet überschritten.
Der Immissionsgrenzwert für Gewerbegebiete von 59 dB(A) nachts werden am
nördlichen, westlichen und südwestlichen Rand des Plangeltungsbereichs
weitestgehend überschritten“, sagt
die Schalltechnische Untersuchung.
Dass die Augen seitens der Stadtverwaltung fest geschlossen werden, belegt
folgender Passus aus der Begründung, der den gutachterlichen Ergebnissen
widerspricht: „Bezüglich des Verkehrslärms sind teilweise bereits grenzwertüberschreitende
Vorbelastungen vorhanden. Diese erfahren im Prognose-Planfall nur Veränderungen
unterhalb der Wahrnehmbarkeits- bzw. Erheblichkeitsschwelle bzw. liegen
weiterhin innerhalb der Grenzwerte.“ Erstens: falsch! Und zweitens: Wo die Menschen sowieso schon Lärm ertragen
müssen, darf ruhig noch etwas dazukommen!
6) Verkehrsbedingte
Folgekosten: Ampel
Laut Verkehrsgutachten ist es zwingend erforderlich, die Zufahrt zu den KAW-Hallen über eine
Lichtsignalanlage zu regeln. Diese wird von der Stadt gebaut, ebenso, wie die
Bahnhofstraße mit Linksabbiegespur, Verkehrstrennung usw. eingerichtet werden
muss – auf Kosten der Stadt. Dafür muss der Betreiber der KAW-Hallen lange
Gewerbesteuer zahlen, ehe diese Kosten
ausgeglichen sind!
7) Größe des geplanten
Einkaufszentrums
Neben den bereits genannten Einwänden des
Einzelhandelsverbandes Nord und der Abwägung des Ministeriums ist auch die IHK
Neubrandenburg gegen ein Einkaufszentrum dieser Größe und plädiert für die „kleine Lösung“: „Demnach soll zunächst
allgemein geregelt werden, dass nur ein Einkaufszentrum mit einer maximalen
Verkaufsfläche von 8.000 m2 zulässig ist. Die unter 1.1 aufgeführten
sortimentsspezifischen Verkaufsflächenobergrenzen weichen mit 8.510 m2 deutlich
von der vorgenannten maximalen Verkaufsfläche ab. Beim Abgleich der in Ziffer
1.1 genannten maximalen Gesamtverkaufsfläche von 8.000 m2 mit der explizit in
Ziffer 1.2 aufgeführten Verteilung der zulässigen Arten der Nutzungen (mit
8.740 m2 maximaler Verkaufsfläche) ergibt sich eine deutliche Diskrepanz in
Höhe von 740 m2. […] Die zulässige
Gesamtverkaufsfläche von 8.000 m2 halten wir an dem Standort insgesamt für zu
groß. Das Planvorhaben überschreitet den Rahmen für ein
Nahversorgungszentrum, wie es für den Bereich Fleischervorstadt / südliche
Altstadt laut der Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche für Greifswald
vorgesehen ist und entspricht nach unserer Auffassung eher einem
Stadtteilzentrum als einem Nahversorgungszentrum. […] Wir regen an, das
Planziel „Schließung der Nahversorgungslücke im Bereich Fleischervorstadt /
südliche Altstadt" aus der Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche
von 2006 weiterhin als Leitlinie für die Entwicklung des Nahversorgungszentrums
Fleischervorstadt / KAW-Gelände anzuwenden. Eine deutliche Reduzierung der Verkaufsflächen, insbesondere im Bereich
der aperiodischen zentrenrelevanten Sortimente ist daher erforderlich.“ In
der Abwägung schreibt die Verwaltung
dazu: “Die vorgelegte Planung ist sehr konkret mit verschiedenen Betriebstypen
und Sortimentsverkaufsflächen hinterlegt. Um innerhalb dieser Planung trotzdem
eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen, die nicht bei jedem Anbieterwechsel
eine Anpassung des Bebauungsplanes erfordert, wurden eingeschränkte Spielräume
hinsichtlich der Betriebstypen und der Sortimente eröffnet. Diese führen dazu,
dass sowohl bei den maximalen Verkaufsflächen der Betriebstypen als auch den
maximalen Sortimentsverkaufsflächen die Summen die zulässige
Gesamtverkaufsfläche für das Einkaufszentrum leicht überschreiten. Dies ändert
jedoch nichts an der Tatsache, dass gleichzeitig nicht mehr als 8.000 m2
Verkaufsfläche realisiert werden dürfen.“ Man
wird darauf achten müssen, ob nicht dann doch hinterher das ‚planerischeSoll’
erfüllt und die 8000 m2 überschritten werden! Ebenfalls in der Abwägung schreibt das hauseigene
Umweltamt: „Im vorliegenden Vorentwurf werden unterschiedliche
Planungsvarianten und deren planungs- bzw. umweltrechtliche Bewertung vermisst. Angesichts des Leerstands in
der Dompassage erscheint es fraglich, ob nahe der Innenstadt tatsächlich ein so
großes Defizit an Einkaufsfläche vorhanden ist, das die Schaffung einer
zusätzlichen konkurrierenden Gesamtverkaufsfläche von 8.000 m2 rechtfertigt. Eine Beschränkung der Verkaufsfläche auf
eine denkmalgeschützte Halle des ehemaligen KAW und die Schaffung eines
attraktiven Misch- bzw. Wohngebietes, das sich östlich bzw. südöstlich
anschließt, würde einen guten Übergang zu den sich östlich anschließenden
Wohngebieten bilden.“
8) Kultur auf dem
Bahnhofsgelände wird zerstört. Greifswald verliert dadurch nachhaltig an
Lebensqualität, Aushängeschilder nach außen werden kaputt gemacht
Bisher waren die KAW-Hallen ein Ort der Kultur mit
regionaler und überregionaler, ja sogar internationaler (Gristuf) Bedeutung.
Ein Ersatz für diesen Ort ist nicht in Sicht, die Tatsache hat auch keinen
Einfluss auf die Abwägungen für und wider das Einkaufszentrum genommen. Für ein
austauschbares Einkaufszentrum nehmen wir uns die Möglichkeit eines
Alleinstellungsmerkmals – eines weiteren! Gibt es eine Vision für die
Stadtentwicklung, oder bleibt alles dem Zufall überlassen?
9) Baumfällungen für
die Zufahrt
Für die Zufahrt zum
Einkaufszentrum müssen Bäume gefällt werden, die Reihe der Linden wird um drei
ausgewachsene Bäume gekürzt! In der Begründungheißt es: „Die sich auf der Südseite der Bahnhofstraße entlang ziehende
Lindenallee ist sowohl raumbildend als auch ortsbildprägend und wird daher als
zu erhalten nachrichtlich im Bebauungsplan festgesetzt. Sie ist als Biotop
ohnehin bereits unmittelbar durch Rechtssetzung geschützt. Für die Anlage einer
ortsverkehrstechnischen einwandfreien Ein- und Ausfahrt zum Plangelände müssen
allerdings drei Linden entfernt werden.“
Nach dem Kahlschlag
auf dem Wall sollten wir nicht noch mehr Fällungen von großen, erwachsenen,
gesunden Bäumen zulassen!
10) Nachtigall, ick
hör dir trapsen!
Für den Investor werden die bisherigen Planungen zurechtgebogen. Man muss sich nur
einmal anschauen, wie der Zuschnitt des Bereichs „Innenstadt“ nicht aus
sachlichen, sondern aus anderen Gründen zugunsten des Einkaufszentrums
verändert wurde (s. oben, Plan der Neufestsetzung)! Im Aufstellungsbeschluss heißt es: „Parallel zur Aufstellung
des Bebauungsplans ist der Flächennutzungsplan zu ändern. Der mit Beschluss der
Bürgerschaft für diesen Bereich festgelegte Zentrale Versorgungsbereich wird
auf den neu zu schaffenden Einzelhandelsbereich verlagert.“ Die Teilfortschreibung führt dazu aus: „Der
Gutachter schlägt die Neuabgrenzung
eines ZVB Innenstadt unter Fortfall des bisherigen ZVB Fleischervorstadt und
dafür unter Einbeziehung des Bahnhofsbereiches vor.“
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