Dienstag, 17. Juni 2014

Faktencheck (links überprüft (16.7.) - funktionieren jetzt alle)

Es gibt Argumente für und Argumente gegen die geplante Nutzung der KAW-Hallen. Hier sind die jeweils "ungefähr zehn beliebtesten" mit ihrer Begründung (oder Widerlegung!) in unserem Sinne:









Gründe, die für ein EKZ sprechen, und ihre Widerlegung:

1) Unterversorgung im Lebensmittelbereich wird abgedeckt

Ja, aber außerdem werden noch einige andere Läden eingerichtet, die mit der „Unterversorgung“ der Fleischervorstadt mit Lebensmittlern nichts zu tun haben. In der Begründung zum B-Plan heißt es: „Im städtebaulichen Rahmenplan der Stadt Greifswald wurde für die Fleischervorstadt zunächst in unmittelbarer Nachbarschaft zum jetzigen Vorhaben ein Einzelhandelsstandort geplant, weil in den Stadtteilen Fleischervorstand und Innenstadt eine unzureichende Bedarfsdeckung im periodischen Bereich festzustellen ist. Für die ca. 10.000 Einwohner beider Stadtteile steht derzeit nur ein kleiner Supermarkt in der Dompassage zur Verfügung.“ In der Teilfortschreibung der Abgrenzung derZentralen Versorgungsbereiche (ZVB) heißt es: „Nach nunmehr 8 Jahren ist festzustellen, dass die Versorgung mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs in der Innenstadt weiterhin quantitativ mangelhaft, in der Fleischervorstadt weiterhin nicht gegeben ist.“

Deswegen (?!) bekommen wir jetzt nicht nur einen Lebensmittler, sondern:













 (Aus dem CIMA-Gutachten)

Ist die Fleischervorstadt auch mit diesen Läden unterversorgt? Wird hier nicht unter dem Deckmäntelchen „Versorgung der Fleischervorstadt mit einem Lebensmittler“ ein ganz anderes Interesse verfolgt?

2) Kostenlose Parkplätze
Ja, aber wer Parkplätze anbietet, lockt Autofahrende an. Die Verkehrssituation auf der Bahnhofstraße wird nicht besser, wenn mehr Autos fahren – siehe das Verkehrsgutachten. Gerade arbeitet die UHGW an einem Aktionsplan gegen Lärm, vor allem Verkehrslärm – da ist ein solches Angebot kontraproduktiv. „Wer nicht Auto fährt, sondern zu Fuß geht oder Bus und Rad benutzt, erzeugt weniger Krach“, heißt es in einem OZ-Artikel vom 11.06.14.

3) Erhaltung der denkmalgeschützten KAW-Hallen
Ja, aber die sind auch mit einer „kleinen Lösung“, einem Lebensmittelmarkt EDEKA/ALDI zu erhalten, dazu braucht es kein Einkaufszentrum.

4) Es entstehen neue Arbeitsplätze
Wohl kaum, denn erstens ist zu fragen, wieviele wirklich neu entstehen sollen, da einer der Lebensmittler nur umzieht und nicht neu eröffnet. Bei den anderen weiß man nicht, wer kommt, und wieviele neue Arbeitsplätze es tatsächlich sind. An dieser Stelle fehlen Zahlen, um das Argument werten zu können! Was ist z. B. mit den Arbeitsplätzen, die in der Innenstadt wegfallen (z. B. Nah & Frisch, oder, etwas weiter, REWE an der Grimmer Straße), wenn die geplanten Umsatzeinbußen Wirklichkeit werden? Diese wegfallenden Arbeitsplätze müssen natürlich gegen die „neuen“ (wenn es sie gibt) gegengerechnet werden; wahrscheinlich gibt es nur eine „Umverlagerung“ von Arbeitsplätzen.

5) Attraktive Ansiedlungen von namhaften Firmen
Nein. Bisher sind – neben dem Lebensmittler – nicht unbedingt namhafte Firmen genannt, die sich ansiedeln wollen…

6) Rentner und andere Anwohner können fußläufig ihre Einkäufe erledigen
Ja, aber auch nicht besser als vorher – nur für einen kleinen Teil der Bewohnenden ist das geplante Einkaufszentrum wirklich näher als die jetzt schon bestehenden Einkaufsmöglichkeiten.
„Der jetzige Vorhabenstandort hat als zentraler Versorgungsbereich den Vorteil eines direkten Anschlusses an die Bahnhofstraße. Daher ist er sowohl unter verkehrsplanerischen Gesichtspunkten als auch aus potenzieller Betreiber- und Kundensicht besser geeignet, als der in der Fleischervorstadt seinerzeit vorgesehene Standort“, heißt es in der Begründung. Und dort weiter: „Hinzu kommt die Freihaltung und verbindliche Festlegung eines Zugangsbereiches zum im Osten des Plangebietes zukünftig anschließenden öffentlichen Fuß- und Radweges. Hier ist die Anlegung einer entsprechenden Fuß- und Radwegverbindung zur Pfarrer-Wachsmann-Straße kurzfristig vorgesehen, über die das Einkaufszentrum aus der Fleischervorstadt dann auf kurzem Wege fußläufig und per Fahrrad erreichbar ist. Diese Festsetzungen unterstützen die Überlegungen, ein Nahversorgungszentrum auch für die Fleischervorstadt auf diesem Gelände zu errichten“. – „Mit der Planung soll eine Fuß-/ Radwegeanbindung von der Pfarrer-Wachsmann-Straße und aus dem Plangebiet entlang der Gleisanlagen bis zur Scharnhorststraße sichergestellt werden“, heißt es dann noch im Aufstellungsbeschluss.
Die Lage der KAW-Hallen ist ein Zwitter, der keine dieser Anforderungen erfüllt: Absolute Randlage in der Fleischervorstadt, definitive Nicht-Innenstadt-Lage. In Abwägung mit den angerichteten Schäden (z. B. Schließung des Lebensmittlers in der Innenstadt!) sind die „fußläufigen“ Vorteile minimal und bei der Bewertung zu vernachlässigen. Jürgen Sallier schreibt dazu in seinem Brief zu den von uns verfassten Wahlprüfsteinen: „Das Gelände gehört zur Innenstadt. Es befindet sich in einer zentralen Lage in Greifswald, nur wenige Gehminuten von der Langen Straße und anderen Einkaufsstraßen entfernt. Ein weiterer Vorteil ist die direkte Nähe zum Bahnhof und der Universität.“ Diesen Bezug zur Innenstadt und zur Universität sehen wir nicht, da es weder Sichtachsen noch aufbereitete Wege gibt. Seinerzeit ist die Tiefgarage am Pommerschen Landesmuseum mit dem Argument gebaut worden, dass genau der Abstand zwischen KAW-Hallen und Innenstadt dem einkaufenden Menschen nicht zuzumuten ist. Jetzt geht es genau anders herum…

7) Es handelt sich um eine attraktive städtebauliche Lösung für ein zu entwickelndes Gebiet
Ja, aber dies träfe alles auch auf die „kleine Lösung“ zu. Dazu brauchen wir kein Einkaufszentrum mit riesigem Flächenverbrauch, Verkehrsaufkommen, Lärm- und Schadstoffbelastung. Das hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen! Dem widerspricht auch das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern in seiner landesplanerischen Stellungnahme: „Der Planung (Bebauungsplan Nr. 98 - KWA Gelände-, Änderung FNP) stehen zwar keine Ziele der Raumordnung und Landesplanung entgegen. Eine Reduzierung der Verkaufsfläche des EKZ ist im Sinne der weiteren Entwicklung der Innenstadt jedoch zu empfehlen“, so steht es in der Abwägung. Dort finden wir auch die Stellungnahme des Einzelhandelsverbandes Nord: „Die mit dem Bebauungsplan Nr. 98 „KAW-Gelände" vorgesehene Ausweisung eines Einzelhandelszentrums in der beabsichtigten Größenordnung und Zusammensetzung ist abzulehnen, da erhebliche negative Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der Hansestadt Greifswald nicht auszuschließen sind.“
Die Überlegungen aus der Begründung und dem Aufstellungsbeschluss sprechen auch eher für die „kleine Lösung“ als für ein Einkaufszentrum: „Mit der Ausweisung eines Einkaufszentrums auf den ehemals von der Bahn genutzten Flächen südlich der Bahnhofstraße soll eine attraktive städtebauliche Verbindung zwischen dem Bahnhofsgelände westlich des Geltungsbereiches und der Innenstadt von Greifswald im Nordosten erfolgen. Durch die Einrichtung moderner Einkaufseinrichtungen auf diesem Gelände unter Berücksichtigung des alten denkmalgeschützten Gebäudes wird eine Steigerung der Attraktivität des gesamten Innenstadtbereiches von Greifswald erzielt, da eine insbesondere für Fußgänger und Radfahrer interessante Verbindung vom Bahnhof zur Innenstadt geschaffen wird.“ – „Hinzu kommt eine Stärkung der Wohnsituation des Innenstadtbereichs durch die Schaffung neuer Wohnbauflächen, die die entsprechend genutzten Areale entlang der Burgstraße, Baustraße und Wiesenstraße aufnehmen und komplettieren. Geplant ist die Errichtung von Wohnquartieren in Anlehnung an die vorhandene Bebauung in den angrenzenden Straßen. Die Bebauung soll insbesondere mit 2- bis 3- geschossigen Wohnbauten sowie Stadthäusern bzw. Stadtvillen entsprechend den konkreten Lagebedingungen erfolgen. Dadurch wird ein Beitrag zur Stärkung der Wohnsituation der Innenstadt geleistet.“
Ebenfalls für die „kleine Lösung“ zutreffend sind die Überlegungen aus der Begründung: „Durch die Planungen kommt es zu einer Wieder-Nutzung eines bestehenden Gewerbestandorts. Auch wenn dieses mit erheblichen baulichen Maßnahmen verbunden ist, die Störungen für den Menschen, aber auch für Natur und Landschaft bedeuten, ist dieses grundsätzlich positiv zu bewerten und folgt den Forderungen zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden“ sowie die Erhaltung der denkmalgeschützten Hallen „des ehemaligen Kraftwagenausbesserungswerkes“.

8) Die Bürger_innen waren an der Planung und Beschlussfassung ausreichend beteiligt
Nein, denn wie man sieht, regt sich erst jetzt der Widerstand der Betroffenen. Anwohnende, Gewerbetreibende, Studierende melden sich erst jetzt zu Wort; offenbar ist das Verfahren 2012 so unterschwellig abgelaufen, dass niemand etwas mitbekommen hat. Auch die Gremien der Bürgerschaft waren sich des Ausmaßes und der Folgen dessen, was da geplant wird, offenbar nicht bewusst – die Sache wurde schnell durchgewunken, immerhin versprach es ja, toll zu werden. Wird es auch – aber in einem von den Mitgliedern der Bürgerschaft so nicht verstandenen Sinn des Wortes! In seinem Brief zu den von uns verfassten Wahlprüfsteinen heißt es seitens des zukünftigen Betreibers zwar richtig, aber zu kurz: „Bürgerschaft, Verbände und Öffentlichkeit wurden in den vergangenen zwei Jahren in den Prozess einbezogen. […] Das Bauvorhaben wurde der Bürgerschaft (Plenum und Bauausschuss) von Beginn an mehrere Male vorgestellt. 2012 beschloss die derzeit amtierende Bürgerschaft einstimmig bei einer Enthaltung den Rahmenplan für das Bauvorhaben. […]Plenum und Bauausschuss der Bürgerschaft wurden seit dem Beginn des Bauvorhabens 2012 regelmäßig informiert; Altstadtverein, Wirtschaftsverbände und andere Interessenvereinigungen haben ihre Stellungnahme dazu abgegeben. Der Bebauungsplan steht allen Greifswalder Bürgern öffentlich zugänglich zur Verfügung.“ Wir meinen: Das hat ganz offensichtlich nicht gereicht!

9) Möglichkeiten für das Car-Sharing
Ja, aber damit springt der Investor aufs Trittbrett eines bereits fahrenden Zuges auf, um sein Projekt zu retten!
Er schreibt in seinem Briefzu den von uns verfassten Wahlprüfsteinen: „Ladestationen für E-Bikes und Elektro-Autos sind vorhanden. Der Standort bietet außerdem gute Möglichkeiten für die Einrichtung eines Car-Sharings.“
Stellplätze für Car-Sharing-Fahrzeuge und Ladestationen können auch überall anders, z. B. am Bahnhof, eingerichtet werden – also kein Argument für ein Einkaufszentrum!





Gründe, die gegen ein EKZ sprechen

1) Bestehende Einzelhandelsstandorte und Nahversorgungsbereiche wie z. B. Rewe/ Grimmer Straße, Mövencenter, OEZ, Dompassage sind gefährdet und werden ggf. schließen, was eine weitere Vernichtung von Arbeitsplätzen in bestehenden Einzelhandelseinrichtungen und Nahversorgungszentren nach sich zieht.
Die vermuteten Umsatzverluste für den innerstädtischen Einzelhandel liegen bei 2,1 Millionen Euro:













(Aus dem CIMA-Gutachten)

Stellen Sie sich vor, Sie hätten durch das Hereindrängen einer neuen Kolleg_in bei gleichbleibendem Arbeitsaufwand und gleichbleibendem Gesamtbudget plötzlich weniger Lohn in der Tüte! Die Vernichtung von Arbeitsplätzen in der Innenstadt muss mit den „neuen“ Arbeitsplätzen gegengerechnet werden, erst dann kommt man zu einem Ergebnis! Welche Läden in der Innenstadt können einen solchen Umsatzverlust vertragen, wieviele bleiben übrig, wie öde wird die Innenstadt durch das Einkaufszentrum? Auch die übrigen Zentren müssen Umsatzeinbußen hinnehmen, wie die obige Tabelle zeigt. Wie kommt z. B. das Schönwaldecenter mit fast 1 Mio. Euro Umsatzverlust zurecht?

2) Folgekosten von leerstehenden Immobilien (z.B. Abriss Dompassage) landen ggf. bei der Stadt
Hat sich schon jemand Gedanken darüber gemacht, was mit den Hinterlassenschaften des umgezogenen Lebensmittlers, mit dem Leerstand in der Innenstadt (Dompassage, Mühlentorcenter, Passage in der Langen Reihe) geschieht? Vermutlich wird die Stadt auf den Folgekosten wie zunächst Subventionierung, dann Abriss sitzen bleiben. Auch diese Kosten müssen gegen die „Vorteile“ eines Einkaufszentrums in den KAW-Hallen gerechnet werden, will man zu einem ehrlichen Ergebnis kommen!

3) „Nah & Frisch“ in der Dompassage schließt bei Eröffnung eines EKZ definitiv (Aussage des Inhabers „Nah & Frisch“ uns gegenüber)
Dadurch entsteht eine Unterversorgung der Innenstadt mit Lebensmittleren, die vielleicht durch ein weiteres EKZ aufgefangen wird, wodurch ein weiterer Lebensmittler schließt, was durch ein drittes EKZ aufgefangen wird… Der Wahnsinn bekommt Methode, und Lebensmittler schließen, statt dass sie mehr werden! Haben wir wirklich unser Ziel erreicht, wenn wir die Eröffnung eines Lebensmittlers erkaufen durch die Schließung eines anderen? Der Betreiber des „Nah & frisch“, Hr. Klar, wörtlich dazu: „Alleine die Planung eines Aldi + Edeka Marktes an diesem Standort (KAW Hallen) veranlasst mich, notwendige Investitionen in den bestehenden Standort Nah&Frisch in der Dompassage zurückzustellen. Sollte dieser Plan realisiert werden, ist eine Weiterführung meines Geschäftes in der Dompassage betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll".
Dasselbe gilt übrigens für REWE in der Grimmer Straße nach Wegzug von ALDI und der Eröffnung des Einkaufszentrums! Ein Mehr an Arbeitsplätzen durch das Einkaufszentrum sehen wir daher nicht.

4) Unkalkulierbare Verkehrsentwicklung, mehr (Liefer-)Verkehr in der Bahnhofsstraße und Innenstadt, Rückstau bis in die Innenstadt
Die Schalltechnische Untersuchung besagt: „Die Verkehrserzeugung durch das geplante Einzelhandelszentrum wurde im Rahmen einer Verkehrsuntersuchung [20] prognostiziert. Dementsprechend ist für die durch das geplante Einzelhandelszentrum neu induzierten Zusatzverkehre im Mittel mit etwa 4.000 Fahrten je Tag, d.h. ca. 2.000 Pkw und Lkw (davon etwa 1.802 Kunden-Pkw, 78 Mitarbeiter-Pkw und 32 anliefernden Lkw) zu rechnen.“ Die Belieferung kann aus Gründen des Lärmschutzes nur tagsüber erfolgen, ist demselben Gutachten zu entnehmen. Daher wird sich der Liefer- und LKW-Verkehr auf der Bahnhofstraße tagsüber stark vermehren. Alles dies geht zu Lasten der Menschen, die die Bahnhofstraße benutzen oder an ihr wohnen. Es handelt sich um eine Steigerung um 25 % des jetzigen, schon sehr starken Verkehrsaufkommens, wie das genannte Gutachten besagt: „Diese weist für die Bahnhofstraße auf Höhe der künftigen Zufahrt zum Einkaufszentrum in Richtung Westen einen DTV von 7.987 Kfz/24h aus. Der Lkw-Anteil beträgt 8,5 % tags und 9,4 % nachts. In Richtung Osten weist die Studie einen DTV von 8.536 Kfz/24h und einen Lkw-Anteil von 9,5 % tags und 11,5 % nachts aus. […] Das zusätzliche Verkehrsaufkommen aus dem Ziel- und Quellverkehr beträgt demnach im Mittel 3.888 Kfz/d. Die max. zusätzliche Verkehrsbelastung der Spitzenstunde wird für den Quellverkehr mit 245 Kfz/h bzw. für den Zielverkehr mit 254 Kfz/h jeweils für die Zeit von 18.00 bis 19.00 Uhr ermittelt. Die zusätzliche Verkehrsbelastung in der Zeit der max. Verkehrsbelastung in der Bahnhofstraße von ca. 16.00 bis 18.00 Uhr beträgt 191 Kfz/h bzw. 216 Kfz/h“, besagt die Verkehrsuntersuchung.

5) Schadstoff- und Lärmbelastung durch mehr Verkehr
Punkt (3) gegen das Einkaufszentrum bedeutet auch eine Höherbelastung der Anwohnenden durch Lärm und Abgase. Ob das durch die angeblich „kurzen Wege“ ausgeglichen wird? „Vor allem […] an der Bahnhofstraße […] sind wahrnehmbare Pegelerhöhungen zu erwarten. Die Erhöhungen sind hauptsächlich durch die im Prognose-Planfall geplante Lichtsignalanlage an der geplanten Zufahrt zum Einkaufszentrum. […] Im Tageszeitraum wird der Immissionsgrenzwert für Gewerbegebiete von 69 dB(A) tags am nördlichen und südwestlichen Rand des Plangeltungsbereichs überschritten. Der Orientierungswert für Gewerbegebiete von 65 dB(A) tags wird in diesen Bereichen ebenfalls weitestgehend überschritten. […] Im Nachtzeitraum wird der Orientierungswert für Gewerbegebiete von 50 dB(A) nachts im gesamten Plangebiet überschritten. Der Immissionsgrenzwert für Gewerbegebiete von 59 dB(A) nachts werden am nördlichen, westlichen und südwestlichen Rand des Plangeltungsbereichs weitestgehend überschritten“, sagt die Schalltechnische Untersuchung. Dass die Augen seitens der Stadtverwaltung fest geschlossen werden, belegt folgender Passus aus der Begründung, der den gutachterlichen Ergebnissen widerspricht: „Bezüglich des Verkehrslärms sind teilweise bereits grenzwertüberschreitende Vorbelastungen vorhanden. Diese erfahren im Prognose-Planfall nur Veränderungen unterhalb der Wahrnehmbarkeits- bzw. Erheblichkeitsschwelle bzw. liegen weiterhin innerhalb der Grenzwerte.“ Erstens: falsch! Und zweitens: Wo die Menschen sowieso schon Lärm ertragen müssen, darf ruhig noch etwas dazukommen!


6) Verkehrsbedingte Folgekosten: Ampel
Laut Verkehrsgutachten ist es zwingend erforderlich, die Zufahrt zu den KAW-Hallen über eine Lichtsignalanlage zu regeln. Diese wird von der Stadt gebaut, ebenso, wie die Bahnhofstraße mit Linksabbiegespur, Verkehrstrennung usw. eingerichtet werden muss – auf Kosten der Stadt. Dafür muss der Betreiber der KAW-Hallen lange Gewerbesteuer zahlen, ehe diese Kosten ausgeglichen sind!

7) Größe des geplanten Einkaufszentrums
Neben den bereits genannten Einwänden des Einzelhandelsverbandes Nord und der Abwägung des Ministeriums ist auch die IHK Neubrandenburg gegen ein Einkaufszentrum dieser Größe und plädiert für die „kleine Lösung“: „Demnach soll zunächst allgemein geregelt werden, dass nur ein Einkaufszentrum mit einer maximalen Verkaufsfläche von 8.000 m2 zulässig ist. Die unter 1.1 aufgeführten sortimentsspezifischen Verkaufsflächenobergrenzen weichen mit 8.510 m2 deutlich von der vorgenannten maximalen Verkaufsfläche ab. Beim Abgleich der in Ziffer 1.1 genannten maximalen Gesamtverkaufsfläche von 8.000 m2 mit der explizit in Ziffer 1.2 aufgeführten Verteilung der zulässigen Arten der Nutzungen (mit 8.740 m2 maximaler Verkaufsfläche) ergibt sich eine deutliche Diskrepanz in Höhe von 740 m2. […] Die zulässige Gesamtverkaufsfläche von 8.000 m2 halten wir an dem Standort insgesamt für zu groß. Das Planvorhaben überschreitet den Rahmen für ein Nahversorgungszentrum, wie es für den Bereich Fleischervorstadt / südliche Altstadt laut der Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche für Greifswald vorgesehen ist und entspricht nach unserer Auffassung eher einem Stadtteilzentrum als einem Nahversorgungszentrum. […] Wir regen an, das Planziel „Schließung der Nahversorgungslücke im Bereich Fleischervorstadt / südliche Altstadt" aus der Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche von 2006 weiterhin als Leitlinie für die Entwicklung des Nahversorgungszentrums Fleischervorstadt / KAW-Gelände anzuwenden. Eine deutliche Reduzierung der Verkaufsflächen, insbesondere im Bereich der aperiodischen zentrenrelevanten Sortimente ist daher erforderlich.“ In der Abwägung schreibt die Verwaltung dazu: “Die vorgelegte Planung ist sehr konkret mit verschiedenen Betriebstypen und Sortimentsverkaufsflächen hinterlegt. Um innerhalb dieser Planung trotzdem eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen, die nicht bei jedem Anbieterwechsel eine Anpassung des Bebauungsplanes erfordert, wurden eingeschränkte Spielräume hinsichtlich der Betriebstypen und der Sortimente eröffnet. Diese führen dazu, dass sowohl bei den maximalen Verkaufsflächen der Betriebstypen als auch den maximalen Sortimentsverkaufsflächen die Summen die zulässige Gesamtverkaufsfläche für das Einkaufszentrum leicht überschreiten. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass gleichzeitig nicht mehr als 8.000 m2 Verkaufsfläche realisiert werden dürfen.“ Man wird darauf achten müssen, ob nicht dann doch hinterher das ‚planerischeSoll’ erfüllt und die 8000 m2 überschritten werden! Ebenfalls in der Abwägung schreibt das hauseigene Umweltamt: „Im vorliegenden Vorentwurf werden unterschiedliche Planungsvarianten und deren planungs- bzw. umweltrechtliche Bewertung vermisst. Angesichts des Leerstands in der Dompassage erscheint es fraglich, ob nahe der Innenstadt tatsächlich ein so großes Defizit an Einkaufsfläche vorhanden ist, das die Schaffung einer zusätzlichen konkurrierenden Gesamtverkaufsfläche von 8.000 m2 rechtfertigt. Eine Beschränkung der Verkaufsfläche auf eine denkmalgeschützte Halle des ehemaligen KAW und die Schaffung eines attraktiven Misch- bzw. Wohngebietes, das sich östlich bzw. südöstlich anschließt, würde einen guten Übergang zu den sich östlich anschließenden Wohngebieten bilden.“

8) Kultur auf dem Bahnhofsgelände wird zerstört. Greifswald verliert dadurch nachhaltig an Lebensqualität, Aushängeschilder nach außen werden kaputt gemacht
Bisher waren die KAW-Hallen ein Ort der Kultur mit regionaler und überregionaler, ja sogar internationaler (Gristuf) Bedeutung. Ein Ersatz für diesen Ort ist nicht in Sicht, die Tatsache hat auch keinen Einfluss auf die Abwägungen für und wider das Einkaufszentrum genommen. Für ein austauschbares Einkaufszentrum nehmen wir uns die Möglichkeit eines Alleinstellungsmerkmals – eines weiteren! Gibt es eine Vision für die Stadtentwicklung, oder bleibt alles dem Zufall überlassen?

9) Baumfällungen für die Zufahrt
Für die Zufahrt zum Einkaufszentrum müssen Bäume gefällt werden, die Reihe der Linden wird um drei ausgewachsene Bäume gekürzt! In der Begründungheißt es: „Die sich auf der Südseite der Bahnhofstraße entlang ziehende Lindenallee ist sowohl raumbildend als auch ortsbildprägend und wird daher als zu erhalten nachrichtlich im Bebauungsplan festgesetzt. Sie ist als Biotop ohnehin bereits unmittelbar durch Rechtssetzung geschützt. Für die Anlage einer ortsverkehrstechnischen einwandfreien Ein- und Ausfahrt zum Plangelände müssen allerdings drei Linden entfernt werden.“
Nach dem Kahlschlag auf dem Wall sollten wir nicht noch mehr Fällungen von großen, erwachsenen, gesunden Bäumen zulassen!

10) Nachtigall, ick hör dir trapsen!
Für den Investor werden die bisherigen Planungen zurechtgebogen. Man muss sich nur einmal anschauen, wie der Zuschnitt des Bereichs „Innenstadt“ nicht aus sachlichen, sondern aus anderen Gründen zugunsten des Einkaufszentrums verändert wurde (s. oben, Plan der Neufestsetzung)! Im Aufstellungsbeschluss heißt es: „Parallel zur Aufstellung des Bebauungsplans ist der Flächennutzungsplan zu ändern. Der mit Beschluss der Bürgerschaft für diesen Bereich festgelegte Zentrale Versorgungsbereich wird auf den neu zu schaffenden Einzelhandelsbereich verlagert.“ Die Teilfortschreibung führt dazu aus: „Der Gutachter schlägt die Neuabgrenzung eines ZVB Innenstadt unter Fortfall des bisherigen ZVB Fleischervorstadt und dafür unter Einbeziehung des Bahnhofsbereiches vor.“



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